Harald Brandes

Die Handwerkskammer war Vorreiter: Harald Brandes mit dem Kaufmann für Bürokommunikation, Florian Reiniger und seiner Mutter. Foto: Handwerkskammer Wiesbaden
Im Gespräch mit Harald Brandes
Die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben geben

 
Seit seiner Gründung ebnet „Barrierefrei starten“ jungen Menschen mit Handicap erfolgreich den Weg ins Berufsleben. Eng an der Seite des Vereins ist seit den Anfängen die Handwerkskammer, bei der auch die Geschäftsstelle angesiedelt ist. Der frühere Hauptgeschäftsführer, Schirmherr und spätere Kuratoriumsvorsitzende Harald Brandes, der zwar den Vorsitz des Kuratoriums abgegeben hat, aber im beratenden Gremium weiter aktiv bleibt, blickt zurück auf die Anfänge und die Entwicklung. Mit ihm beginnen wir auf dieser Website eine Serie von Interviews mit Aktiven des Vereins „Barrierefrei starten“.
 
 
Herr Brandes, Sie sind dem Verein seit Anbeginn eng verbunden. Wie lauten Ihre drei Weihnachtswünsche für „Barrierefrei starten“?
Dass wir es schaffen, viele jungen Menschen zum Berufsabschluss zu bringen. Dass Spenden zahlreich eingehen. Und dass die Mitgliederzahl stetig steigt.

Wie optimistisch war 2009 der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer und Schirmherr des neuen Vereins, dass die Coaching-Idee zu erfolgreichen Lehrabschlüssen von jungen Menschen mit Handicap führen könnten?
Ich war sehr optimistisch, dass wir einer ganzen Reihe junger Leute helfen könnten. Diejenigen, die zwei bis drei Prozent „neben der Norm“ laufen, haben enorme Probleme, einen Ausbildungsplatz zu finden. Das war beim Start des Vereins noch schwieriger als heute. Ich war damals überzeugt, dass viele Handwerksunternehmen uns helfen würden.

Und Sie wurden nicht enttäuscht?
Von den Betrieben nicht. Sehr enttäuscht war ich von Stadt und Agentur für Arbeit. Als wir das Projekt „Facharbeiter für Holzverarbeitung“ beginnen wollten, haben wir keinerlei Förderung bekommen. Es stand bei uns sogar ein Tischlermeister dafür zur Verfügung. Dieses Projekt kam nicht zustande, das war für mich sehr ernüchternd.

Wie ging es dann weiter?                                            
Wir haben uns auf das Coaching-Programm konzentriert. Hier war sofort Optimismus gerechtfertigt.

Und haben Ihre Ausbilder bei der Kammer mitgezogen?
Ja, die Handwerkskammer ging mit gutem Beispiel voran. Ein Junge machte bei uns erst einmal Praktika. Er zeigte sich durchaus für eine Ausbildung geeignet. Aber es war unglaublich, welche Schwierigkeiten es da zu überwinden galt, bis die Ausbildungszeit beginnen durfte. Wir mussten ärztliche und psychologische Ergebnisse abwarten. Da redet ja auch die Arbeitsagentur mit.

Aber der junge Mann, es ist Florian Reininger, der ja auch auf der „Barrierefrei“-Website vorgestellt wird, hat die Ausbildung mit Hilfe eines Coaching durchgezogen…
Ja, er hat mit „Befriedigend“ abgeschlossen und wurde bei der Handwerkskammer angestellt. Heute hat er einen unbefristeten Vertrag als Kaufmann für Bürokommunikation. Und er ist auch im Vorstand des Vereins.

Wie muss man sich die Aufbauarbeit des Vereins vorstellen?
Das operative Geschäft hat natürlich wie heute auch der Vorstand mit viel Engagement gemacht. Er hat die Coaches gesucht und gefunden. Ich als Schirmherr und Kuratoriumsvorsitzender habe die Arbeit gefördert, zum Beispiel auch durch den Schnuppertag „Berufe zum Anfassen“ der Handwerkskammer und des Vereins. Damit kann man bis heute viele junge Leute erreichen, die durchaus Potenzial haben, aber eben Unterstützung brauchen. Es gibt gerade für sie heute spezielle Ausbildungswege und Ausbildungsordnungen. Der Kontakt zu den Schulen und ihren Lehrern liegt uns sehr am Herzen, mit dem Schnuppertag erreichen wir die Schüler.

Und bei der Unterstützung spielen die Coaches die Schlüsselrolle…
Ja, so ist es. Wir haben erkannt, dass während der gesamten Ausbildungszeit die Begleitung der Jugendlichen wichtig ist. Man kann auch den Ausbildungsbetrieb nicht alleine lassen, hier sind die Coaches ebenfalls Ansprechpartner. Nicht selten gibt es ja ein Auf und Ab in der psychischen Situation des Auszubildenden. Auch deshalb hält der Profi die Verbindung mit dem Betrieb.

Sie haben aber keine Probleme, Ausbildungsbetriebe zu finden, die junge Menschen mit Lernschwäche oder körperlicher Beeinträchtigung eine Chance geben wollen?
Nein es gibt genug Firmen, die sich bereit erklären. Betriebe sind auch recht offen fürs Spenden. Durch die Kreishandwerkerschaft, die ebenfalls schon seit Gründung dabei ist, haben wir den engen Kontakt zu den Innungen. 

Wie beurteilen Sie das heutige Engagement in Sachen Inklusion? Sind wir wirklich entscheidend weitergekommen?
Hier ist noch viel Luft nach oben.  Man redet seit vielen Jahren über Inklusion. Aber es ist noch lange kein Erfolgsmodell. Unser Verein erhält keinerlei öffentliche Förderung. Die sehr aufwendige Coaching-Arbeit wird allein vom Verein bezahlt.

Sie sind als ehemaliger Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer ein Macher. Könnten Sie sich eine Ausweitung der Vereinsarbeit vorstellen?
Nach fünf Jahren wäre ein Schritt nach Größerem gut. Auch wenn nicht jeder Geförderte zum Erfolg geführt werden kann, wir sollten noch mehr Jugendliche mit Handicap auf den Ausbildungsweg bringen. Sie hätten dann die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben. Bei mehreren tausend Handwerksbetrieben im Wiesbadener Raum können wir jederzeit 30 Betriebe finden, die sich engagieren. Es wäre sicher eher die Frage, genügend geeignete Coaches zu finden.  Vermutlich müssten wir auch mehr Professionalität in den Verein bringen, er wird derzeit vornehmlich vom Ehrenamt getragen.

Herr Brandes, mit welchem kurzen Satz werben Sie, der Sie gut vernetzt sind, für ein Engagement bei „Barrierefrei starten“?
Jeder Mensch besitzt Qualitäten, die ihn trotz Einschränkungen wertvoll für das Berufsleben machen. „Barrierefrei starten“ möchte dieses Potenzial wecken.

Wagen Sie zum Schluss eine Prognose: Wo wird der Verein 2020 stehen?
Er wird bis Jahresende 2020 noch bekannter geworden sein und mehr Jugendliche mit Handicap in die Ausbildung bringen als heute. In keinem Fall wird uns in den nachfolgenden Jahren die Arbeit ausgehen.
 
Das Gespräch führte Ingeborg Salm-Boost   
 
Zur Person
Harald Brandes hat nach seinem Ausscheiden bei der Handwerkskammer noch eine Reihe von Ämtern inne. Als Vorsitzende des HR- Rundfunkrates, dem er schon während seiner beruflichen Jahre angehörte, hat er ein zeitaufwendiges Engagement übernommen.  Bei der Bürgschaftsbank Hessen ist er stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender und seit Mitte 2017 arbeitet Harald Brandes im Aufsichtsrat des SVWW in Wiesbaden mit. Auch wenn er den Kuratoriumsvorsitz von „Barrierefrei starten“ an den ehemaligen Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, Rainer Volland, abgegeben hat, ist ihm die Mitarbeit im Kuratorium ein besonderes Anliegen, wobei ihm beim Werben um neue Mitglieder und Sponsoren seine gute Vernetzung hilfreich ist. Der Vorsitzende der Wiesbaden Stiftung, Thomas Michel, dem ebenfalls „Barrierefrei starten“ sehr am Herzen liegt, hatte übrigens Harald Brandes mit dem Vorsitzenden des Vereins Jürgen Reichert zusammengebracht.  Eine Erfolgsgeschichte konnte beginnen.

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